Können wir das schaffen?
Eines der wichtigsten Themen unserer Zukunft. Die Energiewende. Weg von den fossilen Energieträgern, hin zu einer Energieversorgung zu 100% basierend auf erneuerbarer Energie. Ohne Treibhausgasemissionen. Ohne Klimaschäden. Mit vielen Vorteilen für Mensch und Natur.
Die Debatte um die Energiewende besteht aus zwei klaren Fronten. Die Befürworter versuchen Vorteile eines möglichst raschen Umstiegs aufzuzeigen und argumentieren mit wissenschaftlichen Fakten. Ihre Gegner benutzen meist populistische Ideen, um die Menschen zu überzeugen. Idealismus spielt eine große Rolle. Mit all diesen Argumenten ist es inzwischen schwierig einen klaren Durchblick zu erhalten. Was ist Fakt und was wohlplatzierter Mythos?
Genau hier wollen wir heute Licht ins Dunkel bringen. In einem Interview klärt die Energieökonomin Claudia Kemfert auf.
MYTHOS ENERGIEWENDE
Energieökonomin.
Nur einer von vielen Titeln, die Claudia Kemfert beschreiben. Seit 2004 leitet sie die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist nebenbei Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit. Ebenfalls berät sie seit den frühen 2000ern Gremien und Politiker zu Energiefragen. Inzwischen ist Claudia Mitglied in der deutschen Abteilung des Club of Rome und veröffentlicht regelmäßig in verschiedenen Zeitschriften. Seit 2016 sitzt sie ebenfalls im Sachverständigen Rat für Umweltfragen (SRU), dem Berater Nummer Eins für die Bundesregierung in Umweltthemen.
Jetzt aber genug des Vorgeplänkels. Man merkt die Frau kennt sich aus! Auf geht’s ins eigentliche Thema.

In ihren Büchern wie „Kampf um Strom“ (2013) und „Das fossile Imperium schlägt zurück“ (2016) versucht Claudia Kemfert über politische (wirtschaftlich-lobbyistische) Beweg- und Hintergründe zur Energiebranche aufzuklären. Heute wollen wir ein paar dieser Mythen genauer unter die Lupe nehmen. Wer noch tiefer ins Thema einsteigen will, dem seien die Kemfert Bücher hiermit wärmstens empfohlen. -> HIER GEHT’S ZUR BUCHAUSWAHL <-
MYTHOS 1: Erneuerbare sind unzuverlässig – In Flauten geht das Licht aus, da es keine Speicher gibt!
Ein Hype-Wort der Energiewende Gegner ist die Dunkelflaute. Gemeint ist hiermit ein Zeitfenster, in dem kein Wind weht und auch keine Sonne scheint. Es ist also dunkel und aufgrund von fehlendem Wind herrscht Flaute. Kombiniert wird diese Aussage gerne mit der Behauptung, dass es keine Speicher gibt bzw. diese zu klein / zu aufwändig seien. Genau diese Behauptung ist allerdings vom DIW widerlegt. Hier geht’s zur passenden Studie.
Technologien zur Energiespeicherung stehen ausreichend zur Verfügung. Das Problem sind anderweitige (vor allem politische) Hemmnisse. Ohne diese Hemmnisse könnten Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoff- oder Wärmespeicher in Hülle und Fülle Anwendung finden.
Der entscheidende Punkt ist aber Folgender: Für die Energiewende benötigt man nicht so viele Speichermöglichkeiten, wie allgemein vermutet wird. Der Leistungsunterschied, zwischen Bedarfsspitzen und tatsächlich zur Verfügung gestellter Dauerleistung ist tatsächlich deutlich geringer als oft behauptet. In der Fachsprache nennt man genau diesen Anteil Residuallast. Bisher wird dieser Lastanteil von regelbaren fossilen Kraftwerken gedeckt. In Zukunft sollten das jedoch die Speicher übernehmen und erneuerbare Energie zur Verfügung stellen. Mit Hilfe von intelligenten Teilen des Stromnetzes (Elektroauto, hauseigene Solaranlage) lassen sich Bedarfsspitzen einfach ausgleichen. Insgesamt benötigt nur ein Bruchteil tatsächliche Speicherlösungen. (Die wissenschaftlichen Grundlagen gibt’s hier – Besonders S.63 ff)
Claudia Kemfert ersetzt den Mythos der Dunkelflaute also durch folgenden Fakt: „Dunkelflauten“ werden skandalisiert. Es gibt ausreichend Speichermöglichkeiten auch für Extremwetter-Zeiten.
MYTHOS 2: Wasserstoff ist unser Retter! Nehmt statt Öl doch einfach Wasserstoff.
Manche Gegner der Energiewende beharren darauf, dass neue Technologie den Umschwung der Wirtschaft zum Umweltschutz bringen wird. Wasserstoff ist hier die aktuellste Möglichkeit. Lass uns statt Benzin und Diesel doch einfach Wasserstoff tanken und schon kann Alles weitergehen wie bisher! Kein Grund für den Umstieg auf Elektromobilität.
Die Nutzung von Wasserstoff ist doch sowieso umweltfreundlicher als die Produktion von Batterien für elektrische Fortbewegung. Elektroautos verbrauchen Kohlestrom und Fördern Kinderarbeit in den Ländern, welche die Rohstoffe zur Batterieproduktion zur Verfügung stellen. Das Autos welche mit Wasserstoff betrieben werden, generell umweltfreundlicher seien als die elektrische Variante wurde jetzt wissenschaftlich widerlegt. (Hier geht’s zum Artikel – Wer’s eilig hat, einfach nur das Fettgedruckte lesen 😉
Um die negativen sozialen Auswirkungen zu vermeiden, helfen international verbindliche Sozial- und Nachhaltigkeitsstandard beim Ressourcenabbau und Vorgaben wie z.B. eine 100% Recyclingquote bei Batterien. Es muss also nur der richtige Rahmen gesetzt werden.
Es stimmt zwar, dass wasserstoffbetriebene Autos eine höhere Reichweite, sowie wenig Emissionen im Betrieb verursachen, aber das Problem ist die Effizienz. Um nämlich den Wasserstoff für einen Kilometer Fahrt mit dem Brennstoffzellen-Fahrzeug zu produzieren braucht man genauso viel Energie wie für acht Kilometer mit dem Elektroauto. (SRU Gutachten Seite 81 ff). Wo soll diese Energie herkommen? Und ist es uns das wert? Solchen Mehraufwand wird man nur dort aufbringen wollen, wo es keine oder kaum klimaschonende Alternativen gibt. Also im Schwerlastverkehr, bei Schiffen oder Flugzeugen. Für Kleinwagen im Individualverkehr, wie wir ihn heute kennen, lohnt sich dieser Aufwand ganz sicher nicht (Quarks & Co. Beitrag). Dafür wäre Wasserstoff viel zu teuer.
Ebenfalls bräuchte die Wasserstoff-Mobilität eine komplett neue Infrastruktur zur Erzeugung, sowie ein neues Netz an Tankstellen. Das erfordert immense Investitionen. Die Ökostrom-Produktions-Infrastruktur, die wir bereits haben lässt sich durch Ladestationen leicht ausbauen.
Wasserstoff eignet sich also sinnvollerweise nur wirklich für langfristigere Speicherlösungen in großem Maßstab, in Form der Power-to-Gas Technologie.
Fakt ist also: Wasserstoff ist eine gute Langfrist-Speicher-Lösung, aber als Treibstoff für Autos viel zu teuer und aufwändig.
MYTHOS 3: Die Energiewende kostet uns enorm viel Geld und bringt wenig! (300 Milliarden)
Die Zahl 300 Milliarden mag dem ein oder anderen bereits unter gekommen sein. In Bezug auf die Energiewende ist hier die Rede von Kosten. Forscht man genauer nach, bleibt aber recht ungeklärt, welche Kosten das sein mögen. Oft wird die EEG-Umlage als Kostengrund genannt.
Seit Beginn der Förderung von erneuerbarem Strom, beträgt die Fördersumme 167 Mrd. Euro. Nachzulesen beim Statistischen Bundesamt. Das sind aber keine Kosten, sondern Investitionen.
Hier bringt Claudia Kemfert ein sehr anschauliches Beispiel:
Kaufe ich ein Fahrrad habe ich 200 Euro Kosten. Kaufe ich das Rad, um das Bus-Ticket für 2 Euro zu sparen, habe ich schon nach 100 Fahrten die Kosten reingeholt und mit jeder weiteren Fahrt mit dem Rad 2 Euro mehr in der Tasche. Und nutze ich das Rad sogar für bezahlte Kurierfahrten, verdiene ich damit nach kurzer Zeit so viel Geld, dass ich davon nicht nur das Rad, sondern vielleicht auch noch meine Miete bezahlen kann.
Das Selbe gilt auch für die Förderung von erneuerbarer Energie. Mehr erneuerbarer Strom, wirkt an der Strombörse insgesamt und vor allem auf lange Dauer kostensenkend. Das die Konsumenten letztlich nichts von dieser Kostensenkung spüren, liegt nicht an der EEG-Umlage, sondern daran, dass die Stromversorger die günstigeren Börsenpreise nicht an die Verbraucher weitergeben.
Ebenfalls kann durch die Erzeugung von erneuerbarem Strom eine große Menge an fossilen Importen eingespart werden. Damit spart sich der Staat Geld und obendrauf noch zukünftige Kosten, die aufgrund von Umweltschäden anfallen würden. Die genaue Berechnung gibt’s hier (Mythos 1).
Zuletzt sollte man einen weiteren Punkt nicht außer Augen lassen. Die Investitionen in erneuerbare Energien schaffen Arbeitsplätze! Und das nicht zu knapp! Derzeit arbeiten über 330.000 Beschäftigte in der Erneuerbare-Energien-Branche. Zwischenzeitlich waren es deutlich mehr, aber durch die Einschnitte infolge des Mythen-Lobbyismus’ wurden immer wieder Arbeitsplätze vernichtet; zuerst in der Solarenergie, aktuell auch in der Windenergie. Ohne Mythen-Hokuspokus könnten es also noch deutlich mehr Arbeitsplätze sein.
Unterm Strich hat die Energiewende also bisher gar nichts gekostet, sondern durch getätigte Investitionen einen guten Ertrag erbracht. Korrigiert sollte es also heißen:
Die Energiewende hat seit 2005 über 300 Mrd. Euro Gewinn erwirtschaftet.
Warum gerade im Bereich der Energiewende so viel mit Fehlinformationen und Mythen argumentiert wird, lässt sich nicht genau sagen. Wirtschaftliche Interessen und Lobbyismus spielen mit Sicherheit ihre Rolle. Was Politiker außerdem bewegt, bleibt offen zur Diskussion.
Abschließend nochmals in Frau Kemferts Worten:
Einer Vollversorgung mit ausschließlich erneuerbaren Energien steht nichts mehr im Wege, es sei denn man hört auf die laut schreienden Ewig-Gestrigen, die leicht widerlegbare Mythen in die Welt setzen. Wir sollten uns von ihnen nicht den Spaß an der Zukunft nehmen lassen. Klimaschutz ist eine Chance. Nutzen wir sie!
Damit einen guten Start in die neue Woche.
Beste Grüße,
Yannis von RENEWS
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P.S.: Nicht vergessen – Follow auf Instagram da lassen! 😉
ZUM WEITERLESEN:
Energiespeichertechnologien im Überblick – So lassen sich die Erneuerbaren speichern: https://www.energie-experten.org/erneuerbare-energien/oekostrom/energiespeicher.html
Energiestudie: Wind und Sonne können Europa zu 100% versorgen: https://www.mdr.de/wissen/umwelt/studie-iass-erneuerbare-energien-koennen-europa-versorgen-100.html
So senken die Erneuerbaren langfristig unsere Strompreise: oeko.de/oekodoc/1587/2012-443-de.pdf
Quelle: Capital – Online (2019): Energiewende – Mythen reloaded? https://www.capital.de/wirtschaft-politik/energiewende-mythen-reloaded?article_onepage=true (02.02.2020)
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